Wo hat der Wiedehopf Schmetterlinge im Bauch, und wo summen Bienen und andere Insekten scheinbar besonders fröhlich umher? Wo ist die Natur noch in Ordnung und lädt zum Verweilen ein? Auf den Streuobstwiesen. Sie bieten nicht nur Tieren ein wertvolles Wohlfühl-Refugium und gelten deshalb mit rund 5000 dort leben unterschiedlichen Tier- und Pflanzenarten zu recht als Hotspot der Artenvielfalt.
 
Bäume und Hecken bieten Nistplätze für Vögel, Totholz dient Insekten zur Eiablage, nicht geerntetes Obst beschert Insekten und kleinen Säugetieren eine zusätzliche Nahrungsquelle. Bienen finden auf Streuobstwiesen das ganze Jahr Nahrung, Schmetterlinge profitieren von den vielen Mikrohabitaten. Gefährdete Vogelarten können hier Schutz finden, Rehe legen ihre Kitze ins hohe Gras der Streuobstwiesen ab. Kurz: Streuobstwiesen sind ein Paradies für Tiere und Pflanzen. Mit diesen artenreichen Strukturen sind Streuobstwiesen aber auch besonders wichtig für das Kleinklima. Sie prägen das Landschaftsbild, sind wertvolle Naherholungsräume und damit zu jeder Jahreszeit ein Naturerlebnis. Neben ihrem Wert für die Artenvielfalt liefern sie nicht nur regionales Obst. Mit über 2 000 Obstsorten bewahren sie vor allem mit vielen alten, robusten Sorten einen wahren Schatz voller geschmacklicher sowie gesunder Vielfalt und sind damit auch kulinarisch eine Kostbarkeit.

Auch auf Menschen haben die traditionellen Kulturlandschaften einen positiven Effekt. Bäume verschiedenster Obstsorten wachsen einvernehmlich in unregelmäßigen Abständen. Die hohen Stämme lassen am Boden ausreichend Raum für Tiere aller Art – ebenso wie für Spaziergänger und Ausflügler, die Ruhe und Erdung suchen. Denn hier baumeln nicht nur Äpfel und Birnen, sondern auch die Seele. Doch die Bilderbuch-Idylle ist bedroht: Die ökologisch wertvollen Kulturlandschaften zählen heutzutage zu den am stärksten gefährdeten Biotopen Mitteleuropas. Die Gründe sind vielfältig. Sie stehen vielerorts der maschinengerechten Bewirtschaftung oder etwa Bauvorhaben im Wege. Zudem können ihre Eigentümer sie wegen aufwändiger Pflege oft nicht am Leben erhalten. Heute gibt es nur knapp sechs Millionen Bäume, während es 1965 noch 20 Millionen waren. Je mehr das Bewusstsein für die Kulturlandschaft wächst, desto besser ist die Perspektive. Denn nur, wer Streuobstwiesen kennt, weiß oder lernt sie auch zu schätzen. Wer der Streuobstwiese im wahrsten Sinne auf den Grund gehen möchte, findet in vielen Regionen Frankens malerische Genusswanderwege, Erlebnis- und Lehrpfade.

Um den Markt Herrnsheim im Landkreis Kitzingen entstand bereits vor Jahren ein einzigartiger rund zwei Kilometer langer Erlebnisweg zum Thema Streuobst. Kindergruppen, Schulklassen und Familien können hier an sechs unterschiedlichen Aktionsplätzen aktiv ihre Umgebung entdecken und erforschen. Mit allen Sinnen – durch Tasten, Riechen, Sehen, Schmecken und Fühlen – wird die Natur bewusst erlebt. Auch auf dem Streuobstlehrpfad Hausen kann man Wissenswertes zu dem ökologisch wertvollen Lebensraum und der Kulturlandschaft Rhön erfahren. Bereits Karl der Große legte mit einer landwirtschaftlichen Verordnung das Pflanzen von Obstbäumen fest, um eine vitaminreiche Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. So entstanden die sogenannten „Streuobstgürtel“. In Hausen sind diese Streuobstflächen noch weitestgehend erhalten und in ihrer Vollständigkeit und Sortenvielfalt einzigartig. Der Streuobstlehrpfad ist ganzjährig geöffnet.

Um den Streuobstbaumbestand bis zum Jahr 2035 um eine Million zu erhöhen, hat die Bayerische Staatsregierung vor zwei Jahren das Förderprogramm „Streuobst für alle!“ ins Leben gerufen. Anträge für kostenlose Bäume können digital gestellt werden. Antragsberechtigt sind Vereine, Kommunen und Verbände. Sie können die geförderten Streuobstbäume dann auch zur Pflanzung an Privatpersonen und Landwirte kostenlos weitergeben.

Autor/Autorin: Petra Jendryssek | Foto: ©Peggychoucair-pixabay.com

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