An der Schnittstelle zweier Naturparks gelegen – der Steigerwald im Norden und die Frankenhöhe im Zum 20. Mal haben Bürgerinnen und Bürger in Bayern heuer im Rahmen der „Stunde der Gartenvögel“ die gefiederten Gäste im Garten, Park oder auf dem Balkon gezählt und dem bayerischen Naturschutzverband LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz) gemeldet. Rund 10.800 Menschen aus dem Freistaat haben sich an der Mitmachaktion beteiligt, die der LBV gemeinsam mit seinem bundesweiten Partner NABU durchführt. „In den 20 Jahren haben sich unsere Landschaft und unsere Gesellschaft verändert und politische Entscheidungen den Naturschutz positiv wie negativ beeinflusst. Eines ist aber gleichgeblieben: Tausende Menschen begeistern sich für unsere heimische Vogelwelt. Das zeigt unsere Aktion jedes Jahr aufs Neue und treibt uns an“, erklärt die LBV-Biologin Dr. Angelika Nelson. Dass der Schutz unserer Gartenvögel nach wie vor relevant ist, zeigt auch in diesem Jahr ein trauriger Negativrekord: Gerade einmal 27 Vögel meldeten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Durchschnitt von den unterschiedlichsten Zählstellen. Das sind so wenige Vögel wie noch nie in der 20-jährigen Geschichte der Aktion. Wer wissen möchte, wie es um die Vogelwelt im eigenen Regierungsbezirk oder Landkreis bestellt ist, findet die regionalen Ergebnisse zur Stunde der Gartenvögel hier: sdg.lbv.de.

Durchschnittlich fünf Vögel weniger

Bei der diesjährigen Stunde der Gartenvögel wurden an jedem Zählort durchschnittlich fünf Vögel weniger gezählt als vor 20 Jahren. In der Summe aller Gärten ist das eine große Zahl. „Viele Vögel gehen derzeit ihrem Brutgeschäft nach und halten sich gut versteckt, während sie im Nistkasten auf den Eiern sitzen oder sich in der Hecke um den Nachwuchs kümmern“, erklärt Angelika Nelson. „Das ist aber nicht der Hauptgrund für die geringe Zahl. Eine negative Bestandsentwicklung ist nicht mehr von der Hand zu weisen.“ Seit Beginn der Aktion haben Anzahl und Vielfalt der Vögel in Bayerns Gärten von Jahr zu Jahr abgenommen. Es scheint, dass sich die drastische, wissenschaftlich belegte Abnahme vieler Vogelarten auf Wiesen und Feldern auch bei den Vogelarten in Bayerns Städten und Dörfern fortsetzt. „Vogelbegeisterte, die seit vielen Jahren an der Aktion teilnehmen, sehen diese Entwicklung vor ihrer Haustür, machen sich Sorgen und wollen etwas dagegen tun“, so die LBV-Ornithologin.

Der LBV nimmt diese Sorgen sehr ernst und versucht, diesem besorgniserregenden Trend entgegenzuwirken. „Wichtig für unsere Gartenvögel ist ein geeigneter Lebensraum, der Nahrung und Nistmöglichkeiten bietet. Wenn man sich anschaut, wie sich die Gartengestaltung in den letzten 20 Jahren entwickelt hat, sieht man heute viel mehr Schottergärten und auch Mähroboter kommen zum Einsatz. Das sind keine insekten- oder vogelfreundlichen Trends“, erklärt Angelika Nelson. Spätestens seit die Krefelder Studie 2017 das Bewusstsein für das Insektensterben geschärft hat, gibt es aber eine Gegenbewegung. Immer mehr Menschen lassen im eigenen Garten Wildnis zu und gestalten ihr grünes Refugium nicht nur für sich, sondern auch für Vögel, Insekten und andere Tierarten. „Dazu möchten wir noch mehr Menschen ermutigen, denn der ökologische Wert von Gärten ist aufgrund ihrer Fläche enorm“, so Nelson. Im Rahmen des Projekts ‚Vogelfreundlicher Garten‘ zeichnet der LBV deshalb seit 2022 gemeinsam mit dem Bayerischen Artenschutzzentrum strukturreiche und vielfältige Gärten aus. Wer im eigenen Garten einen Beitrag zur Artenvielfalt leisten möchte, sollte auf samentragende Wildblumen, Beerensträucher, Hecken und Totholz setzen. Auch auf dem Balkon in der Stadt lässt sich mit heimischen Wildblumensamen in Töpfen und Blumenkästen ein kleines Vogelparadies schaffen. „Ein strukturreicher Garten ersetzt zwar kein Naturschutzgebiet, kann aber ein wichtiger Lebens- und Rückzugsraum für verschiedene Pflanzen und Tiere im Siedlungsraum sein“, betont die LBV-Ornithologin.

Der Haussperling zwischen Jubel und Schwund

Einer, der trotz des alljährlichen Jubels leidet, ist der Haussperling. „Konstant wie jedes Jahr seit Beginn der Zählaktion ist der Spatz auch in diesem Jahr der am häufigsten gemeldete Gartenvogel. Doch der Schein trügt. Gerade in Großstädten wie München gibt es immer weniger Spatzen, die die Tische in Biergärten und Cafés nach Krümeln absuchen“, erklärt Angelika Nelson. Ein Grund: Der Spatz leidet unter akuter Wohnungsnot. Er brütet in Nischen und Mauerspalten, die er an glatten Neubaufassaden nicht findet. Außerdem brauchen Spatzen Hecken und Sträucher, in denen sie sich in großen Trupps verstecken können.

Die Top 10 der Gartenvögel

Hinter dem Haussperling auf Rang 2 landet die Amsel, wie auch in den meisten Jahren zuvor. Sie ist außerdem der Gartenvogel, der in fast allen Gärten vorkommt – und das seit Beginn der Aktion. Allerdings zeigt sich auch hier, dass die Amsel mit der Zeit prozentual aus immer weniger Gärten gemeldet wird. Den dritten Platz sichert sich der Star. Hinter ihm auf Rang 4 flattert in diesem Jahr der Feldsperling auf seinen altgewohnten Platz und verweist die Kohlmeise auf Rang 5. Die Blaumeise schnappt sich Platz 6. Hinter ihr sichert sich die Elster bereits das 14. Jahr in Folge ihren Stammplatz (7). Hatte er es letztes Jahr nur knapp in die Top Ten geschafft, reicht es beim Mauersegler für Platz 8. Die Rabenkrähe ist in diesem Jahr auf Platz 9. Die Mehlschwalbe segelt auf Rang 10.

Ungewöhnliche Sichtungen und Alltagszauber vor der Haustür

Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer schickten dem LBV Berichte und Fotos von ihren spannenden Beobachtungen. So konnten wir Sichtungen von seltenen oder ungewöhnlichen Vögeln wie Turteltaube, Eisvogel, Wendehals und sogar einem Schwarzstorch im Garten bestätigen. „Aber auch die üblichen gefiederten Gäste können die Zählstunde zu einem unvergesslichen Erlebnis machen: Fütternde Meiseneltern oder badende Spatzen zeigen, welch faszinierende Verhaltensweisen unsere Gartenvögel an den Tag legen“, weiß Angelika Nelson.

Am Zählwochenende berichteten viele Teilnehmende außerdem von einem intensiven Vogelkonzert. „Manche Vogelarten sind viel leichter zu hören als zu sehen. Es lohnt sich also, auch auf die Vogelstimmen zu achten”, so die LBV-Biologin. Besonders viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer hörten in diesem Jahr den charakteristischen Ruf des Kuckucks. Einige hatten auch das Glück, den flötenden Didlioh-Ruf des Pirols oder den Gesang einer Nachtigall zu hören. Sie bewohnen große Laubbäume oder dichtes Gebüsch und repräsentieren damit vor allem alte, naturnahe Gärten.

Autor/Autorin: LBV | Fotos: ©pixabay.com

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