Erlangen ist reich an wunderbaren Gärten. Schloßgarten, Botanischer Garten, Aromagarten … alle mitten in der Stadt und unter universitärer Obhut. Doch einer fehlt noch in dieser Exzellenzliste. Die Lilien-Arche zum Schutz und Erhalt seltener Pflanzen im südlichen Stadtteil Kriegenbrunn ist ein Kleinod in privater Hand. Ilona Munique, mit dem Bamberger Bienengarten selbst versiert in Sachen Gartengestaltung, besuchte Stefan Strasser für ein Interview.
Ilona Munique: Stefan, schön, dass du Zeit für meine Neugier auf dein Paradies hast! Wie kamst du denn eigentlich zur Lilien-Arche?
Stefan Strasser: Da muss ich etwas ausholen. Der Ursprung der Lilien-Arche mit etwa 800 Sorten und Wildarten bei 20.000 Einzelpflanzen (ohne die „Babies“) liegt bei meinem Vater. Dieser entwickelte eine Leidenschaft speziell für die Madonnenlilie, als er in seiner Lehrzeit in einem Düsseldorfer Kloster logierte. Eine Nonne zeigte ihm, wie man sie als Küchen- und Heilkraut verwendet. Früher waren die Klöster dazu angehalten, die Madonnenlilie zur Marienverehrung in ihre Klostergärten zu pflanzen. Meinen Vater hat die Lilie so berührt, dass er als Jagdflieger an jedem Flughafen, an dem er eingesetzt war, einen Garten für sie anlegte. Nach dem Hausbau in den 60ern in Kriegenbrunn mussten natürlich im neuen Garten ebenfalls Lilien gesetzt werden. Leider entwickelten sich diese nicht so richtig. Eines Tages im Jahr 1972 zeigte mein Vater uns am Frühstückstisch das Buch „Die neuen Lilien“ von Carl Feldmaier. Er beschloss, sich fortan nach diesem zu richten und eigene Lilien zu züchten. Mit Erfolg. Meine zwei Brüder und ich mussten mithelfen, die in der Hochzeit bis zu 80.000 Pflanzen zu pflegen. Mich schreckte das als Einzigen nicht ab. Im Gegenteil – ich wurde sogar Gärtner.Als Züchter von Lilien und Bewahrer seltener Arten bin ich allerdings erst so richtig seit 2001 bekannt. Auf einer Raritätenmesse in Erfurt kam eine Dame vom MDR an meinem kleinen Stand vorbei und lud mich zu einer Liveübertragung ein. Das Radiointerview kam wohl sehr gut an und zog Kreise. Die Liste derjenigen, die mich für Ton- wie Dokumentarfilme engagierten, wurde immer länger, von kleineren Regionalsendern und der Frankenschau über Nordbayerischen und Bayerischen Rundfunk bis zu Querbeet im Bayerischen Fernsehen und über Bayern hinaus. Nachdem ich 2009 die heute bekannte Lilien-Arche gründete, berichteten auch einige Bücher über uns, beispielsweise die „52 große und kleine Eskapaden in und um Erlangen …“, so dass wir immer bekannter werden. Dazu tragen sicher auch meine Social-Media-Aktivitäten auf verschiedenen Kanälen bei.


I. M.: Wie viele Besucher kommen so im Jahresdurchschnitt?
S. S.: 500 bis 2000 schätze ich, vom Studenten bis zum Apothekerrentner. Manche der Lilienfans reisen mit Bussen an oder fliegen aus dem Ausland ein, zum Beispiel aus Peru. Ich habe außerdem viele Schulklassen und KiTas hier, die das Gärtnern praktisch erfahren dürfen. Auch die vhs-Kurse sind immer ausgebucht.
I. M.: Also ist die Lilien-Arche dein Arbeitsplatz?
S. S.: Arbeit, Hobby, Ehrenamt … ich unterscheide das im Grunde nicht. Doch hauptberuflich bin ich als Gartenberater tätig, auch zum Thema „Schwammstadt“. Dabei komme ich in vielen Kommunen in ganz Europa herum. Ich plane und gestalte private Gärten, Firmenanlagen und kommunale Parks. Einmal bestückte ich sogar den Kanzleramtsgarten. Apropos (lacht) … hier trinke ich gerade aus einer Merkel-Tasse, die ich damals von ihr überreicht bekam! Außerdem nehmen ich und meine Partnerin Marion an etlichen Landes- wie Bundesgartenschauen und internationalen Lilienausstellungen teil. Sehr oft bleiben unsere Beete dann dort erhalten.
I. M.: Gibt es denn weitere Lilien-Archen in Deutschland?
S. S.: Nein, nicht, dass ich wüsste. Es gibt zwar weitere Lilienspezialisten, doch ich bin offenbar der einzige in ganz Europa, der eine Lilien-Arche in dieser Menge und Auserlesenheit bereithält. Ein paar sehr seltene alte Sorten sind schon fast verloren gegangen. Da wird eine von mir gerettete Lilie durchaus mit 600 Euro gehandelt. Meine drei Hauptarten sind die Echten Lilien (Lilium), die Iris (Schwertlilien) und die Taglilien (Hemerocallis), ergänzt durch Stauden und vor allem durch Raritäten. Dabei liegen mir die Türkenbund- und Feuerlilien, die in Franken auch wild vorkommen, sowie die Madonnenlilie sehr am Herzen. In meiner Kindheit war Letztere in jedem Bauerngarten zu finden. Sie wieder in den Gärten zu verbreiten, ist mir ein wichtiges Anliegen.
I. M.: Dann hast du dir tatsächlich ein Alleinstellungsmerkmal verschafft.
S. S.: Ja, das hat aber auch Nachteile, denn mir fehlt ein wenig der fachliche Austausch in Sachen Lilien. Doch ansonsten bin ich sehr gut vernetzt, wobei es da nicht immer nur um Lilien geht. Die Zeitschrift „Country“ beispielsweise hat meine Staudengärtnerei zu den 100 besten Gärtnereien in Deutschland gewählt. Außerdem bin ich Gründungsmitglied in der Bundesarbeitsgemeinschaft Pflanzensammlungen (BAPS), im Netzwerk Pflanzensammlungen und unterstützender Partner der Deutschen Genbank für generativ und vegetativ vermehrbare Zierpflanzen. Ich schloss mich unter der Bezeichnung „Hortus Lilium“ dem Hortus Netzwerk an und leite die Fachgruppe Lilien innerhalb der Gesellschaft der Staudenfreunde e. V. (GdS).
Als ehemaliger Gründungspräsident von „Natur im Garten Deutschland e. V.“ (2020) bin ich als Botschafter von „Natur im Garten International“ unterwegs, ebenso wie als Naturgarten-Zertifizierer des Bayerischen Landesverbandes für Gartenbau und Landespflege e. V. „Bayern blüht – Naturgarten“. Logischerweise ist mein Garten selbst in diesem Sinne zertifiziert und außerdem mit der österreichischen Plakette „Bienenschutzgarten“ ausgezeichnet. Dann wäre da noch der LBV …




I. M.: (Ich unterbreche) – Wie viele Stunden hat eigentlich DEIN Tag, Stefan?
S. S.: Ach, ich brauche nur sechs Stunden Schlaf, da schafft man dann so einiges. Die Aufzählung ist auch längst noch nicht zu Ende. Ich komme beispielsweise ehrenamtlich in die Schulen und biete Schulgarten-Unterricht an. Als Referent für Terra Preta beispielsweise zur Permakultur kann man mich ebenfalls buchen. Drei Saisonkräfte helfen ebenfalls mit.
I. M.: Was müssen sich unsere Leser unter Terra Preta vorstellen?
S. S.: Terra Preta ist aus dem Portugiesischen und bedeutet „Schwarze Erde“, also ein sehr fruchtbarer Boden. Hergestellt wird Terra Preta in etwa drei Stunden aus Pflanzenkohle, dem Blochar. Dazu wird holziger Gartenabfall in einem Gerät namens Kon-Tiki Grill oder auch in einem Erd-Kon-Tiki verkohlt und mit Pflanzenjauche abgelöscht. Danach vermengt man die Masse mit Kompostgut und Tiermist. Das lässt man dann ein paar Wochen lang reifen, bevor es ausgebracht wird. Das Substrat hilft hervorragend gegen Bodenmüdigkeit.
I. M.: So eine hochwertige Pflanzenerde – brauchen die Lilien das überhaupt?
S. S.: Also, wir haben ja auch noch einen Nutzgarten und ein Dammbeet. Aber ja, auch Lilien brauchen gute Erde, sie sind schließlich Starkzehrer.
I. M.: Was kannst du uns als Tipps mitgeben?
S. S.: Zum einen, dass alle Bestandteile beispielsweise der Taglilien – von der Wurzel über die Blätter bis zur Knospe und Blüte – zum Essen verwendet werden können. Bei Lilien ist die stärkehaltige Zwiebel essbar und aus den Blütenblättern werden Cremes und Salben hergestellt. Aber das wäre einen eigenen Artikel wert. Zum anderen: Lilien sind zwar schön, aber sie machen süchtig! (Lacht)
I. M.: Zum Schluss kurz zum Thema Bienen. Du hast doch sicher welche im Garten?
S. S.: An Honigbienen werden Völker von Jungimkern aus dem Imkerverein Herzogenaurach aufgestellt und betreut. Für Wildbienen bieten wir Saatgutmischungen und den von uns bepflanzten Balkonkasten „Beedabei“ an.
I. M.: Das ist ja toll, da nehmen wir doch gleich mal einen Kasten mit, und zwar mit Lilien bepflanzt, bitteschön! Und die „Waldfee“, die du uns als sehr schmackhafte und übers ganze Jahr hinweg blühenden Erdbeere empfohlen hast.
Vielen Dank für das Interview, Stefan Strasser, und wir freuen uns jetzt schon auf deinen versprochenen Gegenbesuch, vielleicht zusammen mit einer Madonnenlilie!
► Eine Besichtigung der Lilien-Arche in der Gustav-Adolf-Straße ist nach telefonischer Anmeldung möglich. Weitere Infos im Internet unter www.lilienarche.de sowie über Facebook unter https://www.facebook.com/people/Lilien-Arche/100063623557611
Autorin: Ilona Munique | Fotos: ©Stefan Strasser