Gemessen an ihrer Geschichte – die ersten kultivierten Weinstöcke werden auf den Beginn der Sesshaftwerdung des Menschen vor rund 12000 Jahren datiert – gelangen Weinrebe und ihre Trauben relativ spät zu Ehren: Der Naturheilverein Theophrastus hat sie 2023 zur Heilpflanze des Jahres gekürt. „Der Weinstock hält besonders in seinen Früchten und Kernen, ja selbst in seinen Blättern, eine Fülle heilkräftiger Stoffe für uns bereit“, begründet Konrad Jungnickel, Heilpraktiker und Vorsitzender des Wahlgremiums, das jedes Jahr eine besondere Heilpflanze benennt, die Entscheidung und lenkt damit den Blick auf ein echtes Superfood, das die meisten bisher wohl hauptsächlich mit dem Genuss edler Tropfen in Verbindung brachten. Ein echtes Versäumnis, denn was Weinrebe und Co. für unsere Gesundheit und Schönheit zu bieten haben, ist herausragend.

Das fand auch Ernährungsberaterin und Gesundheitsautorin Barbara Simonsohn und schloss deshalb die Lücke im Bücherregal. Ihr im Juni erschienener Kompakt-Ratgeber „Traube und Weinrebe – Heilpflanze der Volksmedizin“ beleuchtet das heimische Superfood und lädt auf kurzweilige und sehr sachkundige Weise ein, die altbekannte Pflanze aus einer neuen Perspektive kennenzulernen. „Wie geschaffen scheint die Traube für den Menschen der heutigen Zeit. Nährt sie doch Körper und Geist, schenkt geistige Klarheit, schützt unser Gehirn vor Burnout und Demenz und bringt uns Resilienz in bewegten Zeiten“, lobt die Gesundheitsexpertin die bescheiden daherkommende Vitalstoffkönigin.

Bei ihren Recherchen hat die Hamburgerin herausgefunden, dass bereits Hippokrates, der postulierte, Nahrungsmittel sollten unser Heilmittel sein und Heilmittel unsere Nahrungsmittel sein, Trauben als Lebens- und Heilmittel empfahl. „Auch Hildegard von Bingen schwor auf die Traube und setzte sich für Traubenkuren ein. Traubenkuren wurden angeordnet zur Förderung von Verdauung und Stoffwechsel sowie zur Entgiftung. Bei trüben Augen benetzte man diese mit Traubensaft. Hildegard von Bingen heilte mit der Weinrebe außerdem Geschwüre, Ohren- und Kopfschmerzen“, ist in dem handlichen Kompaktratgeber zu lesen.

Nun ist es aber an der Zeit, das wertvolle Innenleben auszubreiten: Wer auf eine der sortenreichen Tafeltrauben beißt, schmeckt ihren recht hohen Zuckergehalt (16-17 Prozent). Da aber ihr Glykämischer Index sowie ihre Glykämische Last als niedrig eingestuft werden, verwöhnt sie uns mit einer gesunden, auch für Diabetiker geeigneten Süße, die den Energiespeicher im Körper schnell wieder auffüllen kann.

„Die Frucht enthält zahlreiche gesunde Fruchtsäuren wie Wein-, Apfel- und Zitronensäure, welche die Ausscheidungsorgane stimulieren und die Reinigung und Entschlackung fördern. Für die Stärkung des Herz-Kreislauf-Systems und der Gefäße ist der relativ hohe und sehr ausgewogene Mineralstoffanteil verantwortlich“, umreißt die Ernährungsberaterin das breite Wirkungsspektrum. Bei den Mineralstoffen zu nennen wäre hier Kalium, das zu einem ausgeglichenen Säure-Basen- und Wasserhaushalt ebenso beiträgt wie zu einem geregelten Stoffwechsel und zu einer gesunden Muskeltätigkeit. Calcium unterstützt einen gesunden Knochen- und Zahnaufbau und kann Osteoporose vorbeugen, so Barbara Simonsohn. Darüber hinaus enthält die Traube für die Blutbildung wichtiges Eisen, Herz und Knochen schützendes Magnesium, das Spurenelement Kupfer für ein fittes Immunsystem, ein leistungsfähiges Gehirn und gute Nerven sowie Zink, das an 300 enzymatischen Prozessen im Körper beteiligt ist, und ebenfalls das Immunsystem auf Kurs hält.

Auch mit Vitaminen ist die Traube reich gesegnet: Bis auf Vitamin B12 sind alle B-Vitamine vertreten, die an der Bildung von Enzymen beteiligt, unentbehrlich für die Zellvitalität sind. Vitamin C fängt und neutralisiert freie Radikale, stimuliert das Immunsystem und schützt unsere Augen. Darüber hinaus ist die Traube ein Vitamin E-Lieferant, der für ein hormonelles Gleichgewicht sorgt, die Spuren des Alters aufhalten und sogar Krebs vorbeuten kann, erklärt die Autorin begeistert. Und schließlich schützt das Betacarotin als Vorstufe des Vitamin A, Augen sowie Zellen und sorgt für gesunde Haare, Haut und Schleimhäute.

Neben Mineralstoffen und Vitaminen, die das Zerstörungswerk der aggressiven Sauerstoffverbindungen verhindern, enthalten Trauben weitere antioxidative Substanzen von unschätzbarem Wert.
Allen voran Polyphenole wie Quercetin, Catecine, Epicatechin, Ellagsäure, Resveratrol und OPC, die die natürlichen Abwehrkräfte der Pflanze stärken. Sie werden als Antwort auf Stress ausgeschüttet, wenn die Pflanze sich gegen Schädlinge wehrt oder zu viel UV-Strahlung abbekommt. In Biotrauben sei ihre Konzentration im Allgemeinen höher, da diese Pflanzen nicht gespritzt würden und sich somit stärker selbst gegen Feinde wie Pilze verteidigen müssten, erklärt Simonsohn und rät folglich auch, wenn möglich, zum Verzehr von Biotrauben.

Resveratrol gilt als der bekannteste natürliche Pflanzenschutzstoff. Er sei abhängig von der Traubensorte, den Anbaubedingungen und dem Wetter in roten Traubenschalen und Kernen in unterschiedlicher Konzentration enthalten. Resveratrol spielt eine erhebliche Rolle bei der Gesunderhaltung der Zellen sowie ihrer Lebensverlängerung und kann damit wahre Anti-Aging-Qualitäten ausspielen. Weitere Einsatzbereiche seien die Demenz- und Alzheimer-Prophylaxe, Depressionen, Diabetes, Entzündungen, Schlafprobleme, Haarwachstumsstörungen oder Gedächtnisschwierigkeiten. Aber auch Haut, Augen, Darm, Herz und Kreislauf sowie Knochen können von dem starken Antioxidans profitieren, listet Barbara Simonsohn die Anwendungsbereiche.

Die in Trauben enthaltenen Polyphenole könnten als starke Anti­oxidantien beim Menschen antikanzerogen, antibakteriell, antiviral, antifungizid wirken, Thrombosen vorbeugen, das Immunsystem stärken und Entzündungen hemmen. Darüber hinaus wird ihnen eine Blutdruck und Blutzucker senkende sowie eine Schwermetall ausleitende Wirkung nachgesagt.

Rote, blaue oder violette Farbstoffe, wie bei den roten Trauben, sind sogenannte Anthozyane und gehören zu den Flavonoiden, die zu den sekundären Pflanzenstoffen zu rechnen sind. Der Pflanze dienen sie als Schutz vor Fressfeinden, unsere Zellen schützen sie vor Alterung, Krankheit, Entzündungsprozessen und Entartung, so die Ernährungsberaterin.

OPC (Oligomere Proanthocyanidine), die in den Traubenkernen vorkommen, gelten als stärkste bisher entdeckte Antioxidantien mit breitem Wirkungsspektrum: Sie sorgen für eine schnellere Wundheilung, können altersbedingter Makuladegeneration und Grauem Star vorbeugen und vor Karies, Osteoporose, Bluthochdruck, Diabetes, Verdauungsproblemen, Allergien, Arthritis sowie Entzündungen schützen, zählt die Superfood-Expertin auf. Daneben könnten sie die Aufmerksamkeit verbessern, vor Demenz schützen sowie Krebs und Herz-Kreislauferkrankungen wie Schlaganfall oder Herzinfarkt vorbeugen, indem sie verhindern, dass sich gefährliches Cholesterin an den Innenwänden von Gefäßen ablagert. Da freie Radikale maßgeblich an allen Alterungsprozessen im Körper beteiligt sind, kann davon ausgegangen werden, dass der Verzehr der Traubenkerne dabei hilft, gesünder zu altern oder quasi als Anti-Aging-Mittel das Altern gar etwas hinauszuschieben. Um in den Genuss der optimalen Wirkung zu gelangen rät Barbara Simonsohn, OPC nicht isoliert zu sich zu nehmen, sondern als Traubenkernextrakt in einer Tagesdosis von mindestens 200 Milligramm OPC.

Nicht unerwähnt bleiben darf die heilsame Wirkung des vornehmlich roten Weinlaubs. Bereits die Römer sollen sie genutzt haben. Als Salbe, Tropfen oder Kapseln setzten sie die Franzosen gegen schwere Beine, Krampfadern, Besenreiser und Venenleiden jeder Art ein, erklärt die Autorin. Auch die Europäische Medizin-Gesellschaft, EMA, hat diesbezüglich die Heilkraft des Weinlaub anerkannt. Das Weinlaub lässt sich aber auch im Smoothie oder gedünstet verzehren. Seine Mineralstoffe, Spurenelemente, Gerbstoffe und Flavonoide seien alle der Gesundheit zuträglich, so Simonsohn. Ihre zellschützenden Eigenschaften machen die Traube aber darüber hinaus zu einem wirkungsvollen Schönheitselixier. So erklärt sich auch die Vielfalt an Kosmetika auf Traubenbasis. Verarbeitet und eingesetzt werden hier ganze Trauben, aus ihnen gepresster Saft, Traubenblätter, Traubenkerne, aus ihnen gepresstes Traubenkernöl und besonders heilsame Inhaltsstoffe wie OPC oder Resveratrol sowie Weinstein. In ihrem handlichen vor Begeisterung sprühenden Ratgeber hält Barbara Simonsohn jede Menge leicht umzusetzende Rezepte für die Schönheit und Gesundheit wie für den heilsamen Genuss bereit. Da dürfte für Jede und Jeden etwas Passendes dabei sein, um nach der Lektüre und dem Ausprobieren voller Überzeugung der Autorin beizupflichten: Die Weinrebe ist die Königin der Früchte.

Autorin: Petra Jendryssek | Fotos: ©Bru-nO-pixabay.com, ©jplenio-pixabay.com

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