Eine Qual der Wahl?
Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Der Klimawandel ist das bewegende Thema und das vor allem bei der jungen Bevölkerung in Deutschland. Die Entwicklung und Richtung in Deutschland ist klar: Es wird grüner – und das auf Dauer!
Also kein Wunder, dass auch die Finanzindustrie die Zeichen der Zeit erkannt hat und auf diesen Mainstreamzug aufgestiegen ist. Verstärkt wird dies durch die aktuelle politische Gesetzgebung aus Brüssel, die beschlossen hat, dass das Nachhaltigkeitsthema bei jeder Geldanlageberatung zur Sprache kommen muss.
So ist es nicht verwunderlich, dass nun alle Investmentgesellschaften das Thema Nachhaltigkeit spielen und Fonds mit dieser Positionierung und mit dem Label Nachhaltigkeit ausstatten. Mittlerweile gibt es für Kunden eine Auswahl von mehreren tausend nachhaltigen Fonds am deutschen Markt. Die Zahl der nachhaltigen Fonds, ob aktiv oder passiv gemanagte Fonds, wächst rasant.
Für nachhaltige Ansätze bei Fonds gibt es viele Bezeichnungen. Die häufigste lautet: ESG-Ansatz. Darunter versteht man: „E“ ist die Abkürzung für „Environment“, die Umwelt, „S“ steht für „Social“, das soziale Element und „G“ steht für „Governance“, die Unternehmensführung. Unter dieser Bezeichnung bringt man den Nachhaltigkeitsanspruch salopp formuliert auf den „kleinsten gemeinsamen Nenner“.
Fonds genau unter die Lupe nehmen
Aber auch „SRI“ taucht immer wieder auf. SRI steht für „Socially Responsible Investment“, d.h. gesellschaftlich verantwortliche Kapitalanlagen. Dies ist wie „ESG“ ein Dachbegriff für sehr unterschiedliche Nachhaltigkeitsansätze. Darunter fallen zum einen sehr strenge Kriterien, die rund 250 ökologische, soziale und ethische Kriterien in die Überprüfung nehmen, aber auch solche nachhaltige Investments, bei denen nur einzelne umstrittene Branchen, wie beispielsweise die Rüstungsindustrie, ausgeschlossen sind. Und es gibt Konzepte, die prüfen, ob internationale Umweltabkommen oder Menschenrechtsabkommen berücksichtigt werden und entsprechend auf Unternehmen eingewirkt wird. Mittlerweile wurde der Oberbegriff SRI von einigen Marktteilnehmern inhaltlich auf „Sustainable and Responsible Investment“ erweitert, also auf „nachhaltiges und verantwortliches Investieren“.
Und es gibt Fonds mit der Bezeichnung „Best in Class Ansatz“, es gibt Ethik-Fonds, Umwelt-Fonds, Cleantech-Fonds, Klimafonds, Mikrofinanzfonds, nachhaltige Branchenfonds, usw..
Ebenso kommen immer mehr ETF´s auf dem Markt, die mit ESG- oder SRI-Kriterien ausgestattet sind und unterschiedliche Indizes mit Ausschlusskriterien abbilden. Allerdings ist es wichtig, hier genauer hinzusehen. Denn bei vielen der ETF´s werden die Indizes synthetisch nachgebildet oder betreiben die Wertpapierleihe. So bildet ein ETF auf den S&P 500 gar nicht die 500 Unternehmen ab, sondern behilft sich im Rahmen einer Anleihe mit einem Tauschvertrag. Dies erzeugt unter Umständen höhere Bonitätsrisiken. ETF´s sollten deshalb immer physisch den Index abbilden. Allerdings ist dadurch die Auswahl von aktuell angebotenen nachhaltigen ETF´s recht gering.
Gottfried Baer, Spezialist für nachhaltige Geldanlagen, ist Geschäftsführer der MehrWert GmbH für Finanzberatung und Vermittlung in Bamberg.
Die Fragen, die Sie sich als Anleger:in zurecht stellen sollten, sind:
- Was heißt das Ganze konkret?
- Was sind die tatsächlichen Unterschiede zwischen ESG und SRI?
- Worin investieren diese Fonds dann tatsächlich?
- Wie hoch ist die Nachhaltigkeitsqualität: was ist „hell-, mittel- oder dunkelgrün“?
- Gibt es dann auch noch Renditeunterschiede zwischen den verschiedenen Ansätzen?
So sollten Sie also darauf achten, wie weit Nachhaltigkeit enthalten ist, wo sie darauf steht. Das verlangt aber auch zuallererst, sich die eigenen Werte und öko-sozialen Prioritäten bewusst zu machen.
Deshalb lohnt es sich, mit der Thematik „Nachhaltiges Investment“ auseinanderzusetzen. Dies ist eine spannende und schöne Aufgabe. Sie ist aber keine wissenschaftliche Herausforderung, sondern einfach nur ein Prüfen, sich Gedankenmachen und hinter die Kulissen schauen.
Gerne können Sie dazu auch Finanzprofis fragen, die sich ausschließlich mit nachhaltigen Geldanlagen beschäftigen.
Es gibt heute keinen Grund mehr, fragwürdige Investments in Fonds zu akzeptieren, sondern im Gegenteil viele gute und professionelle Möglichkeiten, der Geldanlage neben dem Ertrag einen zusätzlichen Sinn zu verleihen und Mensch, Gesellschaft und Umwelt einen Dienst zu erweisen. Es lohnt sich!
Autor: Gottfried Baer | Fotos: ©Gottfried Baer, ©nattanan23-pixabay.com, ©RoboAdvisor-pixabay.com