Mit klarer Mehrheit wurde bei der vierten öffentlichen Wahl der Kiebitz zum „Vogel des Jahres 2024“ gewählt. Der Naturschutzbund (NABU) und der Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern (LBV) sehen das Votum, an dem sich knapp 120.000 Menschen beteiligten, als deutliches Signal an die Politik, sich für den Schutz der Feldvögel einzusetzen.

Der Regenpfeiferverwandte mit der keck aufragenden Federholle und den spektakulären Balzflügen braucht dringend Öffentlichkeit und mehr Initiativen zu seinem Schutz. Live erleben kann man den „Gaukler der Lüfte“ immer seltener, denn seine Bestände schrumpften hierzulande von 1992 bis 2016 um 88 Prozent. Ein Vierteljahrhundert reichte, um vom häufigen Charaktervogel der Feldflur in die Rote Liste, Kategorie „stark gefährdet“ abzurutschen. Europaweit sieht es nicht besser aus: Hier halbierten sich seit 1980 die Bestände, und weltweit steht er auf der Vorwarnliste.

Kiebitze sind Kurzstreckenzieher, die in Frankreich, Spanien, den Niederlanden und teilweise auch in Deutschland überwintern. Im März kehren sie zurück und die Männchen beeindrucken die Weibchen mit spektakulären Flugkunststücken und weithin hörbarem Gesang – meistens über offenen Flächen, das heißt mit niedriger Vegetation, offenem braunen Boden und ohne Sichtbarrieren wie Gehölze. Deshalb sind Hochmoore, Heiden, Salzwiesen, Klärteiche und vor allem Wiesen, Weiden und Überschwemmungsflächen, aber auch grünlandnahe Äcker, typische Lebensräume. Hauptsache es ist feucht, kurzrasig und übersichtlich. Die meisten der in Deutschland noch brütenden 42.000 bis 67.000 Paare leben im nordwestdeutschen Tiefland und in Ostdeutschland. Seltener sind Vorkommen in Mittel- und Süddeutschland, allerdings mit einem Schwerpunkt im Voralpenraum. Am ehesten kann man Kiebitze noch als Durchzügler erleben. Im Herbst rastet in Deutschland über eine halbe Million von ihnen auf der Durchreise.

Kiebitze ernähren sich von Regenwürmern. Insekten und deren Larven sind für die Kükenaufzucht unverzichtbar. Aber auch andere Bodentiere, Getreide, Samen und Früchte von Wiesenpflanzen werden gefressen. Als Bodenbrüter scharren Kiebitze Bodenmulden, in denen ab März vier gut getarnte Eier liegen, die etwa vier Wochen bebrütet werden. Da es nicht selten zu Gelegeverlusten kommt, machen Kiebitze bis zu vier Ersatzgelege pro Jahr, um doch noch einen Bruterfolg zu haben. Die Jungvögel sind Nestflüchter. Sofort nach dem Schlüpfen verlassen sie für immer das Nest, können stehen, weite Strecken laufen und notfalls schwimmen.

Obwohl der Kiebitz 1996 schon einmal Jahresvogel war, um auf den sich damals abzeichnenden Negativtrend hinzuweisen, sind die Bestände weitgehend zusammengebrochen. Verantwortlich dafür sind vor allem Trockenlegungen von Feuchtwiesen sowie die Umnutzung von Grünland als Ackerflächen. Früher nahm man dem Kiebitz die Eier weg, heute den Lebensraum. Auch seine Flexibilität in der Lebensraumnutzung hilft nichts mehr: Er zog von Moor und Heide in die Feldflur um und arrangierte sich mit Wiesen und Äckern. Doch diese Kulturfolge erweist sich nun als Sackgasse, denn ein erneutes Ausweichen ist nicht möglich. Problematisch sind die intensive und im Jahreslauf frühzeitige Mahd, bzw. Bearbeitung der Flächen, schnell aufwachsendes Wintergetreide und fehlende Deckung und Insektennahrung auf Zuckerüben- und Maiskulturen. Derartige Probleme betreffen viele Wiesenbrüter. Hinzu kommen der Flächenverbrauch, störende Freizeitaktivitäten, Beutegreifer wie der Fuchs sowie die Jagd, der in einigen Ländern Europas jährlich eine halbe Million Kiebitze zum Opfer fallen.


Zur Stützung der verbliebenen Bestände haben Naturschützer wirksame Konzepte entwickelt, um den Kiebitz in hoffentlich bessere Zeiten hinüberzuretten. In erster Linie geht es um die Erhaltung von Lebensräumen und Brutplätzen und um die Vermeidung von Gelege- und Kükenverlusten, denn ohne eine adäquate Nachwuchsquote hat die Art keine Überlebenschance. Wirksam sind 0,5 bis 3 Hektar große, als Naturschutzmaßnahme förderfähige „Vogelinseln“ und Grünstreifen in der Feldflur, die Brutplätze, Deckung und Nahrung bieten und auch anderen bedrohten Arten, wie Feldlerche, Braunkehlchen und Grauammer helfen. Und es muss mehr Wasser zurück in die Landschaft, zum Beispiel in Gräben und feuchte Senken. In Brutgebieten werden Gelege markiert, damit sie beim Walzen, Schleppen und Düngen umfahren werden können, die Mahd erfolgt gestaffelt, so dass Jungvögel eine Chance haben auf ungemähte Flächen auszuweichen und auf Viehweiden helfen Elektrozäune gegen Viehtritt.

Werden Förderinstrumente und das Gebietsmanagement optimal abgestimmt und die ausführenden Landwirte auskömmlich bezahlt, könnten diese erprobten und bewährten Methoden eine Trendumkehr bewirken. Hier ist es an der Politik, die Weichen für Mensch und Natur richtig zu stellen. Und an uns Verbraucherinnen und Verbrauchern, den Kiebitz zu unterstützen, indem wir ökologisch und regional erzeugte Lebensmittel kaufen. Der sympathische Frühlingsbote sollte uns den Aufwand wert sein!

Autor: Dr. Stefan Bosch | Fotos: ©pixabay.com, ©TheOtherKev-pixabay.com, ©leswhalley-pixabay.com,

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