Liest man „Blutwurz“, so denken manche sicherlich an einen Kräuterlikör. Früher sammelte man die Pflanze in der Natur und setzte daraus den Likör für die eigene Hausapotheke selbst an. Hatte man Bauchbeschwerden, so fand er seine Liebhaber. In diesem Jahr wählte der interdisziplinäre Studienkreis „Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ die Blutwurz zur Arzneipflanze des Jahres. Sie ist eine an Gerbstoffen reiche Arzneipflanze, die heute traditionell vor allem bei leichten Durchfallerkrankungen sowie in Mundwässern eingesetzt wird.

Gerbstoffe fällen Eiweiße und bilden so bei gereizter, entzündeter und nässender Haut oder Schleimhaut eine Schutzschicht, die Viren und Bakterien das Eindringen in die Zelle erschweren. Gerbstoffe sind daher wegen dieser antiviralen und antimikrobiellen Eigenschaften im Fokus der Grundlagen-Forschung. Aufgrund ihrer reichhaltigen Nutzung in der Geschichte bis heute und ihrem Potential für weitere Forschung wurde die Blutwurz ausgewählt.

Das gelb blühende Fingerkraut Blutwurz, ein Rosengewächs, blüht von Mai bis Ende Oktober. Sie wächst in ganz Europa in höher gelegenen Gegenden, in denen auch Heidelbeersträucher vorkommen. Man findet sie aber auch an Böschungen, Waldlichtungen und Wiesen. Zerschneidet man den Wurzelstock/ Rhizom, so färbt sich dieser an der Schnittstelle rot. Durch diese schnelle Rotfärbung, welche durch Oxidation der Gerbstoffe bedingt ist, hat die Pflanze ihren Namen erhalten. Die eigentlichen Wurzeln entspringen aus dem Wurzelstock und wachsen bis zu 50 Zentimeter in den Boden.

Medizinische Verwendung fand die Pflanze in Europa bereits im Altertum. So wurde sie innerlich bei Fieber, Vergiftungen, ansteckenden Lungen- und Lebererkrankungen, Durchfall und Erbrechen eingesetzt. Äußerliche Verwendung fand sie bei Wunden, Nasenbluten, Menstruationsbeschwerden, Augenleiden und Feigwarzen.
Im frühen 20. Jahrhundert wurde die Pflanze dann nur noch innerlich bei Durchfall, Erbrechen, Magenbeschwerden und Appetitlosigkeit eingesetzt. Äußerlich bei Entzündungen im Mund und Rachen, bei Wunden, nässenden Ekzeme, Quetschungen und Blutergüssen.

In der heutigen, naturwissenschaftlich fundierten Pflanzenheilkunde, mit der Einschränkung als „traditionelles pflanzliches Arzneimittel“, ist die Blutwurz innerlich bei Durchfallerkrankungen und zur Unterstützung bei akuter und chronischer Darmentzündung sowie äußerlich bei leichten Entzündungen im Mund und Rachen anerkannt.

Der Gerbstoffgehalt, also der wirksamkeitsbestimmende Inhaltstoff der Blutwurz, beträgt etwa 15 bis 20 Prozent. Leider wurden seit Jahrzehnten keine neuen klinischen Studien an erkrankten Menschen mehr durchgeführt. Experimentelle Arbeiten liefern Hinweise darauf, dass die Blutwurz mit ihren Gerbstoffen zur Hemmung von Viren und Bakterien beitragen könnte, welche die gesunde Verdauung im Darm beeinträchtigen. Chronische Verdauungsbeschwerden in der europäischen Bevölkerung sind mit rund 30 Prozent recht häufig. Dies sollte Anlass sein, die Pflanze näher zu erforschen.

Autorin: Renate Drach | Fotos: ©WikimediaImages-pixabay.com

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