Im Herbst haben sie ihren großen Auftritt, sprießen im Schutz des Waldes aus der Erde, nehmen von Totholz Besitz, sorgen für beide-braune Kleckse im akkurat gemähten Rasen. Zeigen sie sich in unterschiedlichsten Formen, Größen und Farben, geben sie jedoch nur einen verschwindend kleinen Teil ihrer selbst preis. Ihr eigentliches Reich liegt unter unseren Füssen, unsichtbar und unvorstellbar groß. In jene Schichten zoomt sich das Museum Sinclair-Haus in Bad Homburg nach seiner gewaltigen Wälder-Ausstellung, um den Blick aus künstlerischer Sicht auf die verflochtenen Welten jener Gattung lenken, der, bis 1969 weder Pflanze noch Tier, erst seit 55 Jahren ein eigenes Reich zugesprochen wird.
Mehr als drei Millionen Pilz-Arten sollen existieren. Bekannt und erforscht hingegen sind nur rund 120.000 Arten, die uns Menschen noch viele Rätsel aufgeben. Unbestritten jedoch ist ihre Rolle im Netzwerk des Lebens, sind sie doch existentiell für das Bestehen aller Lebewesen auf der Erde. Seit dem Beginn der Menschheitsgeschichte spielen Pilze eine wichtige Rolle als Nahrungs- und Heilmittel, als Rohstoff und Helfer, beispielsweise bei der Herstellung von Brot, Bier und Käse. Einige Pilze leben in Symbiosen mit Pflanzen in unterschiedlichen Netzwerken, manche als Parasiten, andere zersetzen Materie, um sie dem Kreislauf des Lebens wieder zuzuführen. Hier zeigen sie sich als wahre Meister im Recyceln und Verwerten.

Foto 1: Phyllis Ma, Chlorophylum rhacodes and Ramaria, 2020, Fotografie, aus der Serie
Mushrooms and Friends

Foto 2: MY-CO-X, MY-CO SPACE, 2020/21, Ausstellungsansicht Berlinische Galerie: Sperrholz, Komposit aus Pilzmyzel und Hanfschäben, pilzbasierte Textilien

Foto 3: Suzette Bousema, Super Organism 03, 2021, Fotografie


Auch die Kunst hat diese faszinierenden in Netzwerken agierenden Lebewesen seit einigen Jahres als Thema für sich entdeckt. Die Ausstellung „Pilze – verflochtene Welten“ stellt die Beziehungen zwischen Pilzen und anderen Organismen und Stoffen in den Mittelpunkt, um den bereits vorhandenen Wissensschatz zu erweitern, die vielfältigen Funktionen und Erscheinungsformen der Pilze zu vermitteln sowie ihre Potentiale zu ergründen. Internationale Künstlerinnen und Künstler nehmen sich der Pilze in Foto und Video, auf Leinwand oder in der 3. Dimension an. Dabei knüpfen sie in fünf Kapiteln an Alltagswissen an und verweben dies mit wissenschaftlichen Erkenntnissen.
In vielfältigen Formaten und Angeboten – vom Worshop bis zum Konzert – sind Besuchende bis 9. Februar 2025 eingeladen, sich den verflochtenen Welten über das Medium Kunst zu nähern und sich in den Bann der Sonderwesen ziehen zu lassen.
Neben einem Begleitheft und einem neuen Band der didaktisch aufbereiteten Reihe „Blattwerke“ lohnt es sich auch wieder, dem hauseigenen Art´n Vielfalt Podcast auf der Website des Museums zu lauschen.

Alle Infos und Veranstaltungen unter https://kunst-und-natur.de/museum-sinclair-haus/startseite Das Museum hat Dienstag bis Freitag von 14 bis 19 Uhr sowie Samstag und Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

Autor / Autorin: SEK | Fotos: Phyllis Ma, Martin Weinhold, Suzette Bousema

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