Ich bin 48, freiberufliche Übersetzerin und Kulturmanagerin und lebe in Berlin. Warum ich an jenem Abend auf greenjobs.de nach Stellen geschaut habe, weiß ich nicht mehr so genau. Vielleicht war es eine innere Stimme, die mir sagte: den Sommer raus aus der stickigen Stadt, rein in die Natur, Gartenarbeit, Umweltbildung, Neues ausprobieren.
Dann war es plötzlich Ende Juni und ich kam an im Paradies. Die Unterkunft im Pilgerzimmer unter dem Dach einer ehemaligen katholischen Mädchenschule (Baujahr 1907) inmitten des Kloster- und Naturerlebnisgartens der Abtei Waldsassen ist charmant einfach, auf das Wesentliche reduziert.
Hier entsteht viel Raum für klare Gedanken und dieser Raum wird noch unbezahlbarer durch das Vogelzwitschern, die Geräusche eines Sommerregens. Nachts, wenn alle den Garten verlassen haben, trifft das Zirpen der Grillen auf den Klang der Basilikaglocken. Im Garten fühlen sich übrigens auch einige Fledermausarten so wohl, dass sie nachts schemenhaft an meinem Fenster vorbeiflattern.
Vielfach ausgezeichnet
Aber von vorne. In diesem Lehrgarten, wo ich die insgesamt sechs Wochen im Sommer 2024 als Praktikantin mitarbeitete, befindet sich die Stiftung Kultur- und Begegnungszentrum und Umweltstation der Abtei Waldsassen (KuBZ). Die Stiftung wurde 1998 von Äbtissin Laetitia Fech OCist. gegründet und leistet seither eine mit vielen Preisen ausgezeichnete Bildungs- und Kulturarbeit für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Seit Mai 2004 ist die Einrichtung eine staatlich anerkannte Umweltstation.
Wo soll ich nur anfangen? Vielleicht mit dem herzlichen Empfang von Gitte Sommer, die rasch die Basics der „alten Lady“ – dem Gartenschulhaus – erklärt, mir ein paar Schlüssel gibt und dann geht’s am Folgetag gleich schon los. Sie ist eine von zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die den Laden schmeißen. Unter der Leitung von Johanna Härtl zaubern hier insgesamt acht bis zwölf Honorarkräfte und vier bis sechs Ehrenamtliche ein vielfältiges Programm, das sich sehen, riechen, schmecken, fühlen und teilweise auch hören lassen kann.

Erfahren und probieren
Mit oft einfachen Mitteln – mein Lieblingsobjekt: ein Weckglas namens Rex zum Aufbewahren von Kräutern oder als Blumenvase – wird Kindern und Jugendlichen das nahe gebracht, was viele von uns Erwachsenen scheinbar vergessen haben: ein behutsamer Umgang mit der Natur und natürlichen Ressourcen. Ganz nebenbei erwerben die Jüngsten Kräuterwissen, legen sich bei kleinen Wunden selbstverständlich Spitzwegerich auf, machen Kräuterlimonade oder -salz, bauen Bienenhotels oder Seedbombs, erforschen Wiese und Hecke mit der Lupe, Biene und Hornisse unter dem Mikroskop. Sie lernen spielend über gesunde Ernährung, basteln mit natürlichen Materialien, wie Blütendruck auf Stoffbeuteln mit der Hammertechnik, filtern Wasser beim Survivalkurs oder entfachten selbst Feuer zum Backen von Brot. Es geht ums Erfahren und Ausprobieren, und ich habe oft das Gefühl: Das würde gestressten Menschen auch total guttun, um ein gesundes, bewusstes Leben zu führen. Wie zum Beispiel der Ausflug in den nahe gelegenen Schulwald. Der Förster ist sich hier nicht zu schade, den Brunftschrei des Hirschen täuschend echt vor kichernder Schulklasse nachzuahmen.
Ich entdecke schnell eine meiner liebsten Tätigkeiten: Das Trocknen von Kräutern und Blüten. Für Tees, Salben, Tinkturen, Cremes oder Kräutersalze werden Borretsch, Ringelblumen, Rosen, Wermut, Estragon und viele Kräuter mehr im Garten gesammelt und auf Netze gestreut, die sich in einem Raum mit Trockenregalen direkt gegenüber des Pilgerzimmers befinden. Der Prozess dauert ein bis zwei Wochen, je nach Temperatur unter dem Dach. Im Raum duftet es wundervoll und abends fällt das Licht besonders schön in den Raum.
Aus der Natur lernen
Aber zurück zum Programm: Für die Allgemeinheit gibt es Führungen durch den Garten mit Schwerpunkten auf der Kräuterlehre von Hildegard von Bingen, einen Bereich, der Sebastian Kneipp gewidmet ist, den Weg der Vielfalt, Beete nach der Temperamentenlehre, einen Marien- und einen Bauerngarten und eine barrierefreie Kräuterspirale. Hier wird alles erfahrbar, was die Natur zu bieten hat – auch in dem Teil des Gartens, der quasi wild und verwunschen ist und hinter dem Haus direkt an die vorbeifließende Wondreb grenzt. Eine weitere Besonderheit der Umweltstation Abtei Waldsassen ist daher auch die Ausbildung zum/r zertifizierten Kräuterführer/in. Dort lernen Teilnehmende alles über Pflanzenbestimmung, die ausgewogene Wildkräuterküche oder die Naturheilkunde nach Hildegard von Bingen (Klostermedizin). Seit 2008 wurden hier bereits über 400 Personen ausgebildet, die heute ihr Wissen in Selbstständigkeit oder Nebentätigkeit verwandelt haben. An einem Wochenende hatte ich das Glück, bei einem ihrer Treffen und anschließendem Kräuterfestival dabei zu sein: Hydrolate, Seifen, Tees, Honig, Räucherware, Badezusätze… sehr beeindruckend, was man aus Kräutern alles machen kann!

Neben dem Kräuterführer gibt es auch einen Lehrgang zum/zur Mentor/in für Garten und Natur, um Kindern und Jugendlichen ihre Umwelt nahe zu bringen. Dort wird das Wissen über die Bildung für nachhaltige Entwicklung und Umweltbildung, das sich die Umweltstation seit über 20 Jahren angeeignet hat, an Multiplikator:innen und Pädagog:innen weitergegeben.
Der kleine Ausschnitt des Programms, bei dem ich dabei sein bzw. mithelfen durfte, macht einen großen Spagat zwischen der Bier- und Aromareise (wir testeten 30! aus der unmittelbaren Umgebung), einem Anti-Aging-Kräuterkurs (mein Favorit: die Waldmaske auf Fichtennadelbasis), einer Fledermausexkursion, einem Räucherkurs und Blumenbinden mit der Gärtnerin und Floristin Claudia Dietz, die mit kleinem Team diesen wundervollen Garten am Laufen hält und ihr Fachwissen über Pflanzen, Beete und Schnecken (ah!) mit mir teilte.


Köstliches genießen
Im Gartenladl des KuBZ gibt es Naturprodukte von regionalen Herstellern und Galgant- oder Maronenhonig von Bienen aus dem Kloster- und Naturerlebnisgarten, köstliches Fenchelsamen- und Kräutersalz und viel Duftendes und Wohltuendes mehr. Das Highlight: individuell zusammengestellte Geschenkkörbe mit ausgefallenen Naturprodukten.
Ich kann nur wärmstens empfehlen, dem Kloster- und Naturerlebnisgarten und Waldsassen (der barocken Klosterbasilika!) einen Besuch abzustatten. Für mich war es eine unvergessliche Erfahrung und ich danke allen, die mich hier so herzlich empfangen haben. Dank auch an die Klosterküche, von der es mittags das köstliche Essen gab.
Reinschnuppern? Wer gerne ein Praktikum oder ein Freiwilliges ökologisches Jahr (FÖJ) in der Umweltstation machen möchte, schickt seine Bewerbung an: Praktikum: Frau Brigitte Sommer, Basilikaplatz 2, 95652 Waldsassen, brigitte.sommer@abtei-waldsassen.de
FÖJ: foej@bdkj-bayern.de, nähere Info unter: www.bdjk-bayern.de
Info Die Saison läuft vom 1. Mai bis Anfang/Mitte Oktober 2025, täglich von 10 bis 18 Uhr. Jahresprogramm, Eintrittspreise und Preise für Führungen unter www.kubz.de
Highlights 2025
Führungen: jeden Sonntag ab 14.30 Uhr durch unterschiedliche Bereiche des Gartens
Räucherkurse:
Räuchern zu den Jahreskreisfesten:
4. April, 14-17 Uhr: Von der Frühlings-Tag- und Nacht-Gleiche bis zur Frühlingsmitte
6. Juni, 14-17 Uhr: Alles rund um die Sommersonnenwende
18. Juli 14-17 Uhr: Von der Sommermitte bis zur Herbst-Tag- und Nachtgleiche
24. Oktober, 14-17 Uhr: Von der Herbstmitte bis zur Wintersonnenwende
29. November, 13-16 Uhr: Der Weg bis zu Weihrauch, Gold und Myrrhe
Sonstige Termine:
16. Mai,15-19 Uhr/17. Mai, 10-16 Uhr: das einzigartige Bienenseminar
29. Juni, 10-17.30 Uhr: Kräuterfestival mit Handwerkskunst
28. September, 10-17 Uhr: Traditionelle Ernte- und Obstbörse
Programm zum Download unter www.kubz.de
Autor/Autorin: NIKE WILHELMS · FOTOS: NIKE WILHELM, TANJA SCHEDL