Bestimmt kennen Sie es, das beliebte Kinderspiel, das half, auf Autofahrten oder beim Arzt Wartezeiten zu überbrücken, die Kreativität auf Höhenflüge schickte und dazu anhielt, genau hinzuschauen: Die immer selbe Rateaufforderung „Ich sehe was, was du nicht siehst…“ lieferte im Nachsatz – „und das ist…“ – einen oder auch zwei Hinweise, die verhinderten, dass man die Suche im vermeintlichen Heuhaufen gleich entmutigt abbrach.

Mit pochendem Herzen in eine andere Welt

Unterhält man sich mit der seit einigen Jahren in Würzburg lebenden Fotografin Sabine Hartl über ihr fotografisches Konzept, über die Idee hinter ihren oft poetisch anmutenden Aufnahmen, kommt einem jenes Kinderspiel unvermittelt in den Sinn. Mit Blick auf ihre Fotoserie „Nymphaea – Seerosen“, die sie seit Corona verfolgt, gestaltet sich der Nachsatz jedoch ohne hilfreichen Verweis, würde er doch „und das ist anders“ oder „und das ist etwas, was du so nicht kennst“ lauten. In der Konsequenz gleiche dies wirklich einer Suche im Heuhaufen. Denn man kann nur finden, was man auch kennt. Sabine Hartls Nachsatz wird indes durch ihre Arbeit und ihre sehr dem Menschen zugewandte Art aufgelöst: „Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist anders, aber ich habe große Freude daran, es dir zu zeigen“.

Ihre Seerosenserie ist spielerisch entstanden, erinnert sich die zierliche Frau. Zusammen mit ihrem Mann, der – ebenfalls Fotograf – ein Schwimmbecken fotografieren sollte, hat sie mit dem Handy aus purem Spaß Unterwasserfotos gemacht, erinnert sie sich lachend. Und dann stand sie wenig später, während eines Spaziergangs, vor einem Seerosenbecken, gut einen halben Meter tief. Da machte sich ihre Fantasie erneut leichtfüßig auf Reisen. Nach kurzem Überlegen zückte sie ihr Handy und hielt es am Selfiestick mit Selbstauslöser ins Wasser. Staunend und fasziniert betrachtete sie das Ergebnis. Die sich andeutende Auflösung von Pflanzenteilen ins Strukturelle begeisterte die Fotografin mit Blick auf das kompositorische Potential von Anfang an.

Während der Coronazeit hatte Sabine Hartl die Zeit, die Entwicklung der Gewächse aus der Winterruhe über die Blütezeit bis hin zu deren Verblühen zu beobachten. Begeistert vom sich verändernden Lichteinfall und wechselnder Wasserqualität hielt die Fotografin die Unterwasserwelt beinahe systematisch Aufnahme für Aufnahme über den Selbstauslöser fest. Äußerlich völlig ruhig begab sie sich mit pochendem Herzen neugierig und offen in eine andere Welt. Ließ sich auf sie ein und förderte unterschiedlichste Strukturen und Spiegelungen in spannungsreichen wie einmaligen natürlichen Kompositionen zu Tage, die von niemandem sonst so wahrgenommen werden konnten. Diesen Schatz einem größeren Publikum in ihren Aufnahmen zugänglich zu machen, treibt sie bei ihrer Arbeit an.

Aber auch das Bestreben, für die kleinen Dinge zu begeistern, die nicht auf Anhieb zu sehen sind. Das beinahe meditative Versenken in die Natur mit ihrem Farb- und Formenreichtum, ihrer ordnenden Struktur, brauche sie für ihren Seelenfrieden, sagt sie. Es mache sie ruhig und froh zugleich. In einer unruhigen Zeit wie dieser umso mehr.

Seltene Einblicke gibt die Fotografin Sabine Hartl auf ihren Seerosenaufnahmen im Würzburger Rathaus noch bis Ende April.

Das nachempfinden lässt sich seit 25. März im Würzburger Rathaus. Bis Ende April entführen Sabine Hartls Unterwasser-Seerosenfotos aus kreativer Perspektive in unterschiedlichem Format im Erdgeschoss und darüber liegenden Gängen in eine ganz andere, friedliche Welt. Aus ihr möchte man eigentlich gar nicht mehr so schnell auftauchen.

Die Fotoausstellung ist zu den Öffnungszeiten des Rathauses zu sehen.

Autor / Autorin: PETRA JENDRYSSEK · FOTOS: SABINE HARTL

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